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Ashkan Dejagah und die schwierige Frage: Wie geht man mit seiner Länderspielabsage um?

Ich habe mich ja erst einmal zurückgehalten mit der Diskussion obiger Frage. Denn in erster Linie finde ich es wirklich kompliziert dazu Stellung zu beziehen, wenn ein iranischstämmiger deutscher Nationalspieler nicht an einem Länderspiel gegen Israel teilnimmt. Leider gleitet die Diskussion häufig in Richtungen ab, die entweder knapp unter der Grasnarbe angesiedelt sind oder in Populismus enden. Die Frage ist dafür aber zu wichtig, weshalb ich mich ihr hier auch noch einmal zuwenden werde…
Warum ist die Beantwortung der Frage über den Umgangs mit der Absage Askan Dejagahs so schwierig?
1. Man kennt seine Gründe nicht. “Politisch” motiviert halte ich erst mal für fragwürdig, weil das zitierte Interview erstens dem Boulevard entstammt und zweitens wohl veraltet (!) ist. Sofern nicht das Gegenteil bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung.
2. Ashkan Dejagah ist Kind iranischer Einwanderer und somit ein typisches Beispiel für die Integrationspolitik unseres Landes. “Gegen die Wand”, “Auf der anderen Seite” sind nur einige – dafür aber mit die bekanntesten – kulturellen Werke, die sich mit der Problematik von Einwandererfamilien befassen und eines ganz deutlich zeigen: Im Spagat zwischen den Kulturen kann man vor allem alles falsch machen und in der Regel nichts richtig. Ein Konflikt zwischen Iran und Israel mit Deutschland als historisch vorbelastetes Land mittendrin, ist ein Konflikt mit einem Ausmaß, das selbst eingefleischte Experten den Durchblick verhindert. Kurz: Ein Konflikt solchen Ausmaßes ist nicht zu lösen, weil die Fronten überall verhärtet sind. Sich in solch einer Situation “richtig” zu verhalten ist nur (!) für diejenigen möglich, die einer streng dogmatischen Linie folgen und die Welt in Gut und Böse unterteilen. Mir ist es egal, auf welcher Seite diese Menschen stehen: Diese Menschen heizen den Konflikt eher an, als integrative Lösungen zu erstreben. Diese Leute haben sich dafür disqualifiziert ein Urteil zu fällen.
Diejenigen, die zwischen den Fronten stehen und versuchen alle Standpunkte in ihrer Urteilsbildung zu vereinen, die werden an der Komplexität des Problems scheitern und zu keinem abgewägten Urteil kommen können. Ist dies aber einmal klar, dann muss man mit Verurteilungen vorsichtig sein. Erst recht, wenn man in Rechnung stellt, dass Ashkan Dejagah als von vielen Seiten direkt (!) Betroffener es noch einmal wesentlich schwerer hat, “richtig” zu entscheiden.
Die Lasten jahrzentelang ungelöster und aufgeheizter Weltpolitk auf die schmalen Schultern eines 21-Jährigen zu legen ist nicht nur unfair, sondern unmenschlich.
Wie würdest du dich entscheiden? Diese Frage wird in diesem Kontext häufig diskutiert. Und man schaue sich nur mal einen der oben genannten Filme an und man kommt unweigerlich zu dem Entschluss: Entscheide oder sterbe! Entscheide und du entscheidest dich falsch und wirst sterben! Du kannst es nicht richtig machen…
Wer frei von Schuld ist werfe den ersten Stein…
3. Man muss in Rechnung stellen, dass er einen offensiven und ehrlichen Umgang mit dem Thema anstrebt. Ich erinnere nur an Ali Karimi, der für ein Spiel in Israel mit den Bayern “verletzt” war. Keiner hat sich beschwert, obwohl es offensichtlich war. Ashkan Dejagah macht sich hingegen angreifbar. Und das sollte man ersteinmal lobend hervorheben ohne ihn gleich reflexartig als Antisemit zu bezeichnen. Vielmehr macht er in dieser Situation in seiner Rolle als “Vorbild” alles richtig! Er bezieht Stellung und macht das Problem (wahrscheinlich ungewollt) öffentlich. Sollte aber unserer Gesellschaft ein integrativer Lösungsvorschlag für solche Situationen gelingen, könnte dies ein Meilenstein für alle Integrationsfamilien sein, die sich alltäglich zwischen all diesen Fragen und Forderungen aufreiben. Das geht aber nur mit viel Verständnis und Wohlwollen für alle Beteiligten und sicher geht es nicht mir Vorveruteilungen, Stigmatisierungen, Populismus oder humorigen Witzen.

Eine Auswahl aus der Blogosphäre:
Rob Alef
Bring back my words
Lightdots
Fußball, Fritten, Bier
Bolzplatz
Steckschuss
Endl
an.di.ary

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10 Kommentare

  1. Erstellt am 11. Oktober 2007 um 14:51 | Permanent-Link

    Man muss in Rechnung stellen, dass er einen offensiven und ehrlichen Umgang mit dem Thema anstrebt.«

    Ich glaub, das war mehr ein “kommunikativer PR-Unfall”

  2. wüllü
    Erstellt am 11. Oktober 2007 um 17:32 | Permanent-Link

    Ich kann Dir leider in allen drei Punkten nicht zustimmen!

    zu 1.und 3.: “Privat” oder “politisch” motiviert spielt m.E. in diesem Kontext keine Rolle (mehr). Die Wirkung seiner Handlung ist, unabhängig von seinen Motiven, politisch. Und das kann in disem Kontext auch (leider) nicht anders sein. Gerade weil ein “21-Jähriger” natürlich nicht imstande sein kann, eine verzwickte Situation ideal zu lösen, hätte er, und seine beratende Familie(!), besser eine Verletzung vorgeschützt. Statt eines offenen und ehrlichen Umgangs, wie Du ihn Dir erhoffst, hätte er besser geschiegen, denn es gilt manchmal: Wer immer offen ist, kann nicht ganz dicht sein…
    zu 2: Vielleicht liegt hier eine Kerndifferenz vor. In Deinen Augen bin ich wahrscheinlich einer jener Dogmatiker, die die Welt in Gut und Böse einteilen. Ich würde das zwar so nicht formulieren,
    aber in dem Konflikt zwischen Iran und Israel eine Äquidistanz einzunehmen, halte ich für einen riesigen politischen und moralischen Fehler. Die politische Führung Irans bedient sich eines zutiefst rassistischen Antisemitismus, der offen die Auslöschung der Existenz Israels als Ziel ausgibt. Der systematische Sportboykott gegen Israel ist nur ein kleiner, aber bedeutender Mosaikstein. Bei aller berechtigten Kritik an der Politik Israels, und die Liste ist sehr lang, kann man vergleichbare Vernichtungsphantasien auch beim schlechtesten Willen nicht ausmachen. Selbst solch irrwitzigen
    Pläne, iranischen Atomanlagen zu bombardieren, griffen nicht die Existenz des Iran an. Für mich ist deshalb ein “Zwischen-den-Fronten-Stehen” in diesem Fall undenkbar. Und für diesePosition bedarf es noch nicht einmal ein Gramm “historischer Verantwortung”!

    Ein kurzes Wort noch zu den verdammt großen Schwierigkeiten von Menschen mit Migratonshintergrund. Ich stimme Dir zu, dass sie größtenteils(!) Produkt einer fremdenfeindlichen und z.T. rassistischen Abgrenzungspolitik Deutschlands sind. Trotzdem (!!!!) ist es wichtig, wie bei dem Thema “Zwangsheirat”, politische Kritik auch an Migranten zu formulieren, deutlich zu sagen, was “wir” unter einer anti-rassistischen und antipatriarchalen Gesellschaft verstehen.

  3. Erstellt am 11. Oktober 2007 um 17:50 | Permanent-Link

    Genau das muss man doch dann als Chance nutzen. Ich denke auch, dass ihm das (potentielle) Ausmaß nicht so bewusst war…

  4. Erstellt am 11. Oktober 2007 um 18:30 | Permanent-Link

    Eben nicht!

    Erstens halte ich es nicht für sinnvoll eine Verletzung vorzutäuschen. Gründe dafür nannte ich schon. Nur so ist ein offenes Thematisieren, insbesondere für Betroffene, die nicht im Rampenlicht stehen können, möglich.

    Zweitens geht es mir nicht darum, keine Stellung zu beziehen! Es geht mir darum mir ein Urteil über Ashkan Dejagahs Handlung zu bilden. Das beinhaltet in erster Linie, dass ich natürlich einen Standpunkt gegen den Iran und seine politischen Ziele einnehme und in der Frage Israels immer die deutsche Geschichte reflektiere. Das ist meine Meinung, die ich hier und sonst wo öffentlich vertreten kann. Ja, ich kann das. Ich bin aber auch nicht in der Situation Ashkan Dejagahs und tausender weiterer Deutsch-Iraner. Und das ist für mich der entscheidende Punkt: Ich kann mich nur so verhalten, weil ich in der Situation stecke, die mich ausmacht. Und ich kann nicht verlangen, dass jemand wie Ashkan Dejagah in einer völlig anderen (!) Situation die gleich Stellung beziehen kann. Das wollte ich mit der Frage: “Wie würdest du dich (in seiner Situation !) entscheiden?” ausdrücken. Opferst du deinen familiären Bezugskreis? Wirst du niemals mehr in dein zweites Heimatland reisen dürfen? Wirst du deine Familie im Ausland gefährden? Machst du dich zum Ziel von Geheimdienstanschlägen? Ich denke nicht. Es gibt nur wenige, die bereit sind solch eine Märtyrer-Funktion auf sich zu nehmen. Ich, Du, fast alle würden das nicht tun. Ist es dann gerecht ihn dafür zu verurteilen, dass er es nicht tut? Nein.
    Vielmehr muss man fragen, warum er überhaupt in solch einer Situation steckt. Da ist natürlich zum einen das Regime des Irans und all seiner Repressalien zu verurteilen. Keine Frage! Aber wir müssen uns auch immer an unsere eigene Nase fassen und uns fragen, was wir für seine Integration beigetragen haben: In Deutschland kein Deutscher im Iran kein Iraner. Wir hätten die Chance gehabt dafür zu wirken, dass er und die vielen anderen in Deutschland sagen könnten: “Wir sind hier zuhause, wir sind deutsch.” Dann wäre es sicherlich (ein kleines bisschen) leichter Stellung zu beziehen. Aber er wird sich in so einer Situation, bei der jetzigen politischen Weltlage NIEMALS richtig verhalten können. Und “richtig” bedeutet hier vor allem: Aus seiner Situation heraus richtig und sinnvoll, nicht nach unseren moralischen Wertvorstellungen.

    Deshalb halte ich mich nicht dabei zurück selbst Stellung zu beziehen, ganz im Gegenteil. Ich denke aber, dass es zur Beurteilung seiner Handlung andere Maßstäbe braucht als die eigenen Moralvorstellungen.
    Als Repräsentant iranischstämmiger Deutscher hat er nämlich einen wichtigen Schritt schon getan: Er hat das Thema (wahrscheinlich ungewollt) in die Öffentlichkeit getragen. Und hier steht die Möglichkeit für uns alle offen näher aneinander zu rücken in dem wir nicht nur auf unsere moralischen Wertvorstellungen zurückgreifen, sondern versuchen einander die handlung und Reaktion verständlich zu machen um eine gemeinsame, integrative Lösung zu finden, die den Grenzgang zwischen den Kulturen für alle leichter zu handhaben ermöglicht. Das geht aber nur dann, wenn man einen Schritt von seinen eigenen Überzeugungen zurücktritt (nicht: sie aufgibt!) und Raum für Begegnung lässt. Alles andere wäre für mich in der Tat Dogmatismus, der uns wahrscheinlich in die weltpolitische Lage geführt hat in der wir und Dejagah nun stecken…

  5. Erstellt am 20. November 2007 um 18:30 | Permanent-Link

    Ich habe mich ja erst einmal zurückgehalten mit der Diskussion obiger Frage. Denn in erster Linie finde ich es wirklich kompliziert dazu Stellung zu beziehen, wenn ein iranischstämmiger deutscher Nationalspieler nicht an einem Länderspiel gegen Israel tei

  6. spreemaradona
    Erstellt am 4. September 2008 um 13:00 | Permanent-Link

    Auf diese Nachricht warte ich seit Dejagahs Zusage an den DFB, im Rückspiel gegen Israel auf jeden Fall anzutreten: Dejagah kann wegen einer Wadenblessur nicht auflaufen.

    Dejagah ist kein Opfer verfehlter deutscher Integrationspolitik. Ich frage mich wie er (bzw. sein Vater) überlegen konnten, ob Askan denn nun für Deutschland oder den Iran spielen solle, wenn das iranische Regime eine Gefahr für seine Familie darstellt. Nein, Dejagah hält sich aus freien Stücken (und eigener Überzeugung, die er aus Karrieregründen nicht offen ausspricht) an Ahmadinejads Vorgaben für iranische Sportler.

    Ich bin froh, dass dieser Antisemit nicht mehr für Hertha spielt. Meiner Meinung nach dürfte er auch nie wieder für Deutschland auflaufen. Dann können wir auch gleich Horst Mahler als Bundestrainer engagieren.

  7. Joshtree
    Erstellt am 5. September 2008 um 12:45 | Permanent-Link

    @Spreemaradonna: es gibt einen Unterschied zwischen Vaterland/Heimat und Politik. Man kann durchaus auch als Verfolgter des herrschenden Regimes den Iran lieben. Und dann wird die Entscheidung für Deutschland schon nicht mehr so eindeutig. Man kann im übrigen auch gegen die Politik im Staat Israel sein, ohne etwas gegen Juden zu haben! Da darfst Du mich jetzt auch als Antisemit beschimpfen, ich wäre da an Deiner Stelle aber viel viel vorsichtiger!

    Schließe mich sehr gern Easyfunk an – wir müssen uns nicht derartig entscheiden, wir sind nicht in dieser Situation, also steht es uns nicht zu, zu urteilen.

  8. Easyfunk
    Erstellt am 5. September 2008 um 13:18 | Permanent-Link

    Heute gab es einen wirklich gute Artikel in der Printausgabe der SZ. Da hat sich der Reporter noch mal am Montag mit Dejagah getroffen, sich mit ihm über die Aussagen im Oktober 2007 unterhalten und das kommende Spiel ansprechen. Er sagte, er wolle spielen und dass er sich damals (in einer Situation direkt nach dem Training) falsch ausgedrückt hat.
    Kernaussage des Artikels: Dejagah hat sich aus Angst vor einer ungerechten Behandlung eines Unrechtsstaates unglücklich geäußert und wurde dann in einem Rechtsstaat ungerecht behandelt. Und den Spiegel sollte man sich auch einmal vorhalten.

  9. spreemaradona
    Erstellt am 5. September 2008 um 14:38 | Permanent-Link

    @Joshtree: Natürlich darf man Kritik an der israelischen Politik üben, ohne ein Antisemit zu sein. Ich bin der Letzte der diese gutheißen würde. Es sind (bzw. waren) Leute wie Mölleman, die meinen mit antisemitischer Stimmungsmache ein angeblich bestehendes Tabu zu brechen, welches nicht existiert. Aber Dejagah übt doch keine Kritik an der israelischen Politik. Er will einfach nur nicht gegen Israel spielen. Wenn er meint das als Iraner tun zu müssen, bitte sehr. Aber als deutscher Nationalspieler hat er gegen Israel zu spielen sofern er nicht verletzt ist. Das mag ja auch der Fall sein. Aber seine Aussagen zum Hinspiel waren diesbezüglich ja eindeutig. Er darf den Iran auch gerne lieben, genauso wie hunderttausende Exil-Perser in Deutschland, die gerade deswegen nicht in Nibelungentreue zu Ahmadinejad stehen.
    Ich finde es einfach nur bedenklich, dass man das in einem Rechtsstaat (@Easyfunk) einfach so hinnimmt, zumal auch Israel ein Rechtsstaat ist. Aber Antiamerikanismus und als Israel-Kritik getarnter Judenhass sind ja derzeit en vogue. Mit meinem formschönen Beitar Jerusalem-Shirt auf die Straße zu gehen wäre glatter Selbstmord, während das Pali-Tuch als Mode-Assecoire selbstverständlich getragen wird. Denk ich an Deutschland in der Nacht…

  10. Stephan
    Erstellt am 5. September 2008 um 15:09 | Permanent-Link

    Ist zwar OffTopic, aber die CSU-Nazis vom FC Bayern Stammtisch finde ich um einiges bedenklicher als Ashkan Dejagah
    http://www.myspass.de/de/ulmentv/knut/index.html?id=5133

    “Aber Antiamerikanismus und als Israel-Kritik getarnter Judenhass sind ja derzeit en vogue.”
    Israel-Kritiker als Antisemiten zu bezeichnen ist
    in manchen Kreisen ebenso “en vogue”. Damit macht man es sich zu einfach und kommt nicht wirklich weiter.

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