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Ein Lehrstück über faktische Macht


Durch die formale Hierarchie eines Fußball-Clubs ist ganz klar ersichtlich, wer in welchen Fragen das Sagen hat und wer gehorchen muss. Die formale Hierarchie spiegelt die Machtverhältnisse wider. Sie schafft intern die notwendige Sicherheit, um Entscheidungen (bspw. bei Transfers) durchsetzen zu können und stellt nach außen dar, wer für bestimmte Belange Ansprechpartner ist. Die formale Hierarchie macht das Leben und Entscheiden in Fußball-Vereinen leicht.

Leicht, geradezu schwerelos wird das Vereinsleben aber nur, wenn  man denn so naiv ist, allein an die faktische Wirkung formaler Hierarchie zu glauben. Der Tagesspiegel hatte genau jene Naivität abgelegt (ich meine mich zu erinnern, dass es um den gescheiterten César-Deal ging) und behauptet, dass Favre bei Transfers Mitsprache-Recht habe. Bei Hertha BSC scheint man dagegen sehr Hierarchie-gläubig zu sein, denn gerichtlich wurde im April von Hertha-Jurist Jochen Sauer klar gestellt:

Die Entscheidung über die Verpflichtung neuer Spieler liegt grundsätzlich ausschließlich bei der Geschäftsführung (…) Tatsache ist daher, dass Dieter Hoeneß als Geschäftsführer auch ohne Zustimmung des Trainers Spieler verpflichten kann. Dies war schon immer der Fall und ist auch heute noch so.

Soviel zur formalen Hierarchie, wie sie in Arbeitsverträgen fixiert ist und in der Selbstbeschreibung des Vereins angefertigt wird. Aber das aktuelle Ränkespiel um die Entmachtung von Dieter Hoeneß zeigt eines ganz deutlich: Es gibt neben der formalen Hierarchie, auch informale Machtverhältnisse. Und wenn diese, wie im jetzigen Fall bei Hertha BSC gar nicht mehr zum offiziellen Hierarchie-Gefüge passen, dann führt das nicht nur zu Spannungen, sondern  sogar zu Umwälzungen im Verein.

Denn irgendwann werden die Verantwortlichen um Werner Gegenbauer begriffen haben, dass es zwischen Manger und Trainer, bzw. formaler Hierachie und informaler Macht so große Differenzen gibt, dass sie vom Präsidium nicht mehr moderiert werden können. Sie haben erkannt, dass Lucien Favre mittlerweile in einer Position ist, in der er seine Vorstellungen (insbesondere über Transfers) diktieren kann. Die Gründe für seine faktische, aber informale Macht liegen einerseits in dem sportlichen Erfolg, der ganz eng mit der Person Lucien Favre verbunden wird. Aber vor allem auch darin, dass es angeblich sehr gute Angebote von der Bundesliga-Konkurrenz (HSV, Leverkusen) gegeben haben soll. So bringt sich Lucien Favre in die Position, fordern zu können, dass er in Zukunft mindestens ein Veto- und Vorschlags-Recht bei Transfers haben wird. Diese Forderung ist berechtigt, weil sie letztlich nur die formale Hierarchie daran anpasst, was faktisch auf informaler Ebene sowieso schon Praxis ist.

Dramatisch wird die ganze Geschichte nur deshalb, weil Manager Dieter Hoeneß sich mit seiner faktischen, aber auf informalem Wege durchgesetzen Entmachtung nicht anfreunden kann. Umso weniger wird er es akzeptieren können, wenn der Verein nun die formale Hierarchie dem informalen Machtgefüge anpassen will. Für ihn kommt das offensichtlich nicht in Frage. Aus diesem Grunde sieht er jede Beschränkung seiner Kompetenzen gleich als Angriff auf sein komplettes Amt.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Medien damit rechnen, dass Dieter Hoeneß seine Entmachtung nicht hinnehmen wird und daher gegangen werden muss. Die Dramatik der aktuellen Situation resultiert vor allem aus dem blinden Fleck von Dieter Hoeneß. Er will die Diskrepanz zwischen formalem und informalem Machtgefüge nicht eingestehen, weshalb er die Veränderung der formalen Hierarchie ablehnt. Man könnte sogar vermuten, dass er die Diskrepanz noch nicht einmal sieht und ihm gar nicht klar ist, wie viel faktische Macht Lucien Favre jetzt bereits bei Hertha BSC hat.

Anders kann ich mir folgende Aussagen von Dieter Hoeneß, die heute die Bild zitiert, gar nicht erklären:

Allerdings – wenn es so weit kommt, dass ein Trainer sich den Vorgesetzten aussuchen kann – dann Gute Nacht Hertha BSC. (…) Das Macht-Verhältnis zwischen Trainer und Management stimmt nicht mehr. Da muss was passieren.

Er kann scheinbar nicht sehen, dass ein Trainer mit eigenem Konzept ein Mindestmaß an Mitsprache braucht, um seine Vorstellungen auch umsetzen zu können. Lucien Favre braucht diese Mitsprache. Das ist offensichtlich, denn er hat dafür viel gekämpft und sich auf informalem Wege die Macht faktisch gesichert. Das Scheitern des César-Transfers, der laut Dieter Hoeneß schon fix war, macht das beeindruckend deutlich.

Ich verstehe nicht, warum Dieter Hoeneß sich so uneinsichtig zeigt und auf seinen formalen Hierarchie-Anspruch beharrt. So wenig Lernfähigkeit, so eine Starrsinnigkeit belastet den Verein, weil Hertha BSC sich vor die dramatische Konsequenz gestellt sieht, entweder Favre zu verlieren, der es nicht mehr akzeptieren wird, alles auf informalem Wege zu regeln oder Dieter Hoeneß zu entlassen, der nicht bereit ist, sich mit den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Es zeigt sich, dass Dieter Hoeneß mit seinem Unwillen, die faktischen Machtgefüge bei Hertha BSC anzuerkennen, nicht bereit ist, den Weg mitzugehen, den Hertha längst schon eingeschlagen hat. Denn in den meisten Wirtschaftsunternehmen ist es üblich, dass der Abteilungsleiter ein Mitspracherecht hat, wenn es um eine Neubesetzung innerhalb seiner Abteilung geht. Für Trainer, die konzeptionell an der Entwicklung einer Mannschaft arbeiten, kann das nicht anders sein. Die Ansprüche von Lucien Favre sind also gerechtfertigt. Warum kann Dieter Hoeneß sich damit nicht arrangieren?

Man wird kaum eine andere Antwort finden, als es seiner individuellen Beratungs- und Innovations-Resistenz zuzuschreiben. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber eines steht fest: Dieter Hoeneß verkennt die faktischen Machtverschiebungen bei Hertha BSC, ist nicht bereit den bereits eingeschlagenen Weg mitzugehen, versperrt sich daher den notwendigen Reformen der formalen Hierarchie und wird damit zu einem Relikt der Vergangenheit, das der Zukunft im Wege steht. Kein Verein kann es sich auf Dauer erlauben, einen so großen Gap zwischen informaler Macht und formaler Hierarchie mit sich herum zu schleppen.

Ich hoffe, dass Dieter Hoeneß jemand hat, der ihn so gut beraten kann, dass er auf seinen blinden Fleck aufmerksam wird. Vielleicht zeigt er sich ja doch noch einsichtig, verzichtet formal auf einen Teil seiner Kompetenzen und kann somit sein letztes Jahr bei Hertha BSC in Frieden ausklingen lassen. Eine durch Rausschmiss erzwungene Trennung würde nur dazu führen, dass eine Menge schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit gewaschen würde. Die Berliner Bilder-Blätter würden sich wohl nichts lieber wünschen. Ich hoffe inständig, dass Dieter Hoeneß zur Raison gebracht wird, damit er einen Abschied bekommt, der seinen großen Verdienste auch gerecht wird.

Foto: digitalArt2

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12 Kommentare

  1. Erstellt am 6. Juni 2009 um 13:24 | Permanent-Link

    Wow, ich habe mich bislang ja sehr zurückgehalten, weil ich von der Hoeneß’schen Inkompetenz noch nicht völlig überzeugt war, aber dieses Zitat da oben demaskiert ihn ja (für mich erstmals) völlig.

    Als wenn es darum ginge, dass sich Favre seinen Vorgesetzten aussuchen will. Er will die alleinige Kompetenz was sportliche Entscheidungen angeht. Und weil er der Erste ist, der fliegt, wenn es nicht läuft, finde ich das völlig gerechtfertigt. Außerdem hat er gezeigt, dass er das kann. Wenn Hoeneß das nicht erkennt, dann ist er tatsächlich blind.

    Ich dachte eigentlich, es wäre Usus den Trainer Spieler vorschlagen zu lassen, die die Bosse dann versuchen zu holen. Umgekehrt kann es zwar in Ausnahmefällen mal vorkommen, aber wenn der Trainer sagt, der Spieler passe nicht in sein Konzept, dann wird er auch nicht geholt – dachte ich, wie gesagt. Bei Hoeneß scheint das bisher anders gelaufen zu sein (und in einigen Fällen hat es wie bei Deisler oder Marcelinho ja auch geklappt ). Klingt irgendwie unprofessionell…

  2. Erstellt am 6. Juni 2009 um 13:29 | Permanent-Link

    Eben, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Zumal sich das faktische Machtgefüge ja schon geändert hat und der neue Weg bereits eingschlagen wurde.

    Es ist ja nicht so, dass Favre ein Modell-Magath haben will, also Manager, Geschäftsführer und Trainer auf einmal sein will. Nein, er will nur ein Vorschlags- und Veto-Recht. Und das kann man ihm nun wirklich nicht mehr absprechen…

  3. Kid Klappergass
    Erstellt am 6. Juni 2009 um 17:13 | Permanent-Link

    Danke, Enno, ich fühle mich in Sachen Hertha mal wieder auf den neuesten Stand gebracht.

    Was Hoeneß antreiben dürfte, ist die Motivation der meisten Menschen, Machtverluste nicht widerstands- oder klaglos hinzunehmen. Da das öffentliche Einlenken einer Seite bereits als Macht- und manchmal auch als Gesichtsverlust verstanden wird, kann es nur eine dauerhafte Lösung bei der Hertha geben, Enno: eine vorzeitige Trennung. Die wird zwar auch nicht geräuschlos ablaufen, dafür sind jedoch die Verhältnisse geklärt, das interne Störfeuer ist erst einmal beseitigt und man kann sich den wirklich wichtigen Dingen zuwenden, anstatt sich mit sich selbst zu beschäftigen.

    Der Lorbeer von gestern welkt allerdings schnell. Favre wird aus diesem Machtkampf als Sieger hervorgehen, erhalten und stärken kann er seine Position nur mit sportlichen Erfolgen. Der Starke mag am Mächtigsten allein sein, der Mächtigste ist aber auch einsam, wenn es um die Verteilung der Verantwortung in der Stunde des Misserfolgs geht – nur der Erfolg hat viele Väter.

    Ihr steht vor einer spannenden Saison, Enno.

    Gruß vom Kid

  4. Tanja*
    Erstellt am 6. Juni 2009 um 18:32 | Permanent-Link

    Was sind eigentlich die Quellen für die Aussagen, die man dieser Tage so hört? BILD, BZ und Co oder gibt es noch andere und wer schreibt von wem ab?
    Der Bild Berichterstatter, der da bei Hertha immer am Trainigsplatz rumlauert ist jedenfalls kaum zu ertragen.
    Gebe ich nur mal zu bedenken und frage deshalb einfach mal nach.

  5. Erstellt am 6. Juni 2009 um 23:55 | Permanent-Link

    Bei dem was hier so steht erinnert mich die Figur Hoeneß irgendwie an den späten Helmut Kohl.

    Und wenn Hertha Hoeneß los ist, nimmt dann Preetz dessen Position vollständig ein? Wer hat denn dann die faktische Macht? Wird sich Favre bei Richtungsentscheiden (und die Summe der Transfers von Spielern werden dazu) gegen Preetz durchsetzen, weil die Oberen ihm die größte sportliche Kompetenz zusprechen?

  6. Erstellt am 7. Juni 2009 um 08:37 | Permanent-Link

    @Tanja: Ja, die Quellen sind schon sehr stark vom Boulevard beeinflusst. Auch die seriösen Zeitungen wissen kaum mehr. Aber bei so massiver Präsenz des Themas und nahezu ausbleibender Gegenwehr des Vereins (Hoeneß’ Selbstverteidigung mal ausgenommen), kann man schon davon ausgehen, dass etwas dran ist.

    @Herr Wieland: Hehe, der Kohl…
    Was die Nachfolge von Hoeneß angeht, so werden die Kompetenzen auf mehrere Schultern verteilt. Michael Preetz wird sportlicher Leiter, Finanz-Chef Ingo Schiller und Geschäftsstellenleiter Tom Herrich werden vor allem den wirtschaftlichen Part übernehmen. Und auch Lucien Favre als Trainer wird mehr Einfluss bekommen, also mindestens Veto- und Vorschlags-Recht bei Transfers. Sofern das Team gut miteinander klar kommt, halte ich das für eine gute Lösung.

  7. Tanja*
    Erstellt am 7. Juni 2009 um 09:15 | Permanent-Link

    Danke für die Beantwortung meiner Fragen, aber ehrlich gesagt glaube ich das trotzdem erst, wenn da was Offizielles kommt!!! (Boulevard glaub ich eh nix, die haben so Einige auf dem Gewissen, wie man weiß! )
    Eigentlich geht mir das jetzt schon wieder alles aufn Keks, ich hoffe nicht, dass das wieder so losgeht, wie vor der Hoeneß Ära, denn das war kaum auszuhalten!!!! Man warum können sich einzelne Personen nicht einfach zurück nehmen und im Sinne und zum Wohl des Vereins arbeiten, damit wäre allen geholfen. Außerdem finde ich das unmöglich sowas über die Öffentlichkeit auszutragen. Da scheint generell was nicht zu stimmen, wenn der Boulevard da geradezu eingeladen wird was drüber zu schreiben. Man, man man….

  8. Boris
    Erstellt am 7. Juni 2009 um 11:51 | Permanent-Link

    Zu dieser Angelegenheit zwei Zitate aus dem heutigen Blätterwald (7. Juli 2009):

    Der TSP berichtet:

    Machtspiele
    Bei Hertha geht nichts mehr ohne Favre
    Manager Dieter Hoeneß kann sich nicht mehr durchsetzen. Kommende Woche gibt Hertha die Entscheidung bekannt, wann er gehen muss. Zu oft gab es Streit mit Trainer Lucien Favre.
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    Vor ein paar Wochen ist Dieter Hoeneß gebeten worden, er solle doch bitte ein paar Worte zu Lucas Barrios sagen. So eine Frage hätte er vor ein paar Jahren mit einem müden Lächeln quittiert und der Standard-Antwort: „Wenn Sie schon ein wenig länger hier wären, wüssten Sie, dass wir uns nicht an Spekulationen beteiligen, sondern nur Vollzug melden.“ Das aber war in der Zeit, als der Manager Hoeneß bei Herthas BSC noch Alleinherrscher war und Spieler holte, die in sein persönliches Konzept passten. Als er sich noch nicht mit Lucien Favre herumschlagen musste, der ganz eigene Vorstellungen vom Fußball hat und diese auch umsetzen möchte, er muss schließlich auch als Trainer dafür geradestehen.

    Hoeneß hat sich also ein wenig geziert und einen kurzen Vortrag gehalten über „einen sehr guten Stürmer, groß, schnell, beidfüßig und torgefährlich“, und natürlich sei Hertha sehr interessiert. Neben ihm saß Favre und verzog nicht einmal das Gesicht. Auf die Frage, was er denn von Barrios halte, sagte Favre nur, dass er zu diesem Thema gar nichts zu sagen habe. Genauso, wie Hoeneß es früher getan hätte.

    Die Gewichte haben sich verschoben bei Hertha. Nichts geht mehr ohne Favre. Dieter Hoeneß, ohne den früher nichts ging, steht vor seinem Abschied. Die Entscheidung ist gefallen, Hoeneß wird sie in Kürze übermittelt werden, für die kommende Woche ist mit einer offiziellen Verlautbarung zu rechnen. Es ist kein freiwilliger Abschied, Hoeneß wollte seinen bis 2010 laufenden Vertrag unbedingt erfüllen. Aber er selbst hat den Bogen überspannt, auch und vor allem in seinem Bemühen, eine Art Übertrainer zu sein.

    Zum Beispiel mit der Planung von Transfers wie dem von Barrios. Der Argentinier spielt bei Colo Colo in Chile. Hoeneß reist sehr gern nach Südamerika, im Frühjahr schaute er bei Barrios vorbei. Das hat ein bisschen Ärger provoziert. Andrej Woronin verstand nicht, warum denn kein Geld da war, um ihn aus seinem Vertrag aus Liverpool herauszukaufen, wenn doch Colo Colo zehn Millionen Dollar für Barrios verlangte. Herthas Präsident Werner Gegenbauer mochte sich nicht abspeisen lassen mit dem vagen Verweis auf einen Investor, der den Kauf finanzieren sollte. Und Favre hatte zuvor schon wissen lassen, er wolle auf keinen Fall noch einen Spieler aus Südamerika.

    Favre hat sich vom Präsidium das Privileg zusichern lassen, dass nur noch Spieler verpflichtet werden, die er selbst beobachtet hat. Zu viel ist in den vergangenen beiden Jahren nicht in seinem Sinne verlaufen. Manches lag in Favres Hang zum endlosen Zögern begründet, etwa die Verpflichtung des Schweden Tobias Grahn, den Hertha im Sommer 2007 nur deswegen holte, weil der Kader irgendwie aufgefüllt werden musste. Das billige Leihgeschäft mit Grahn ließ sich verschmerzen. Ärgerlicher waren ganz andere Fehlgriffe. André Lima, den wohlgenährten Stürmer, brachte Hoeneß für 3,5 Millionen Euro aus Brasilien mit. Favre hatte ihn zuvor nur auf einer Best-of-DVD studiert. Nach 16 größtenteils desaströsen Spielen musste Lima Berlin wieder verlassen.

    Oder die Sache mit Pedro Geromel. Den hatte Favre vor einem Jahr als neuen Innenverteidiger ausgespäht. Der Brasilianer aber war angeblich zu teuer, so dass für knapp 2 Millionen Euro sein Landsmann Kaka kam, der sich als Experte für Luftlöcher erwies. Geromel ging für 2,5 Millionen Euro nach Köln und war dort die große Überraschung der Saison. Auch mit seinem Wunsch nach einer Verpflichtung des Wolfsburgers Christian Gentner konnte Favre sich nicht durchsetzen. Der Mittelfeldspieler machte vor einer Woche in China sein erstes Länderspiel.

    Schwer verärgert war Favre nun, als ihm zu Ohren kam, Hoeneß wolle Ivan Klasnic verpflichten, der beim FC Nantes gescheitert ist. Nicht mit mir, signalisierte Favre. Es war einer der Fälle, der dem Präsidium vor Augen führte, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Die Hinterlassenschaften der Ära Hoeneß aber werden Favre noch ein wenig länger beschäftigen. André Lima war an den FC Sao Paulo ausgeliehen. Die Bereitschaft des Klubs, Lima zu behalten, tendiert gegen null. Sein Vertrag bei Hertha läuft noch bis 2011 – kehrt er zurück nach Berlin? „Um Gottes Willen“, sagt Lucien Favre.

    (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 07.06.2009)

    Was aber “berichtet” die B.Z.?

    Absage-Flut
    Wunschspieler wollen nicht zu Hertha
    06. Juni 2009 21.58 Uhr, Carsten Priefer; Malte Achilles
    Hertha hat kein Geld für ganz große Stars. Doch selbst von preiswerteren Spielern hagelt es Absagen.
    Kein Geld für neue Stars auf der einen, Mega-Zoff zwischen den Hertha-Bossen auf der anderen Seite – Trainer Lucien Favre (51) in der Klemme. Wie geht es mit dem Klub weiter? Denn plötzlich will keiner mehr nach Berlin wechseln, es hagelt Absagen.

    B.Z. nennt die Spieler, die Favre gern hätte, aber nicht bekommt:

    - Paul Scharner (29, Wigan): Österreichs Neu-Kapitän will im nächsten Jahr international spielen. Er sagt: „Tottenham, Everton und Fulham sind genauso an mir dran wie Hertha und der HSV.“ Der Defensivallrounder wechselt wohl innerhalb der Insel: „Am liebsten würde ich in England bleiben.“

    - Raúl Marcelo Bobadilla (21, GC Zürich): Manager Hoeneß beobachtete den Gaucho im Februar, war begeistert. Jetzt bekam Gladbach den Zuschlag – für 5 Millionen Euro! Hoeneß: „Er ist zu teuer.“

    - Lucas Barrios (24, Colo Colo): Auch der Welttorjäger soll 6 Mio. Euro kosten. Hoeneß: „Wir müssen sehen, was möglich ist.“ Heißt: Nur mit einem Gegentransfer (Lima, Kaká) wäre Barrios zu finanzieren.

    - Almen Abdi (22, FC Zürich): Favres Liebling aus FCZ-Zeiten hat Angebote aus ganz Europa, geht wohl zum HSV. „Wir haben keine Chance“, sagt Favre.

    - Blerim Dzemaili (23, FC Turin): Der Schweizer stiegt mit Turin ab, will wechseln. Zu Favre, seinem großen Mentor? Nein! Dzemaili will in Italien bleiben. Florenz, Neapel, Udinese, Lazio und Milan jagen ihn.

    - Marko Marin (20, Gladbach) und Lewis Holtby (18, Aachen): Auf beide hatte Favre ein Auge geworfen. Der Coach: „Wir können uns beide nicht leisten. Das ist schwierig für mich hinzunehmen.“ Marin geht wohl zu Werder, Holtby zu Schalke.

    Sieben Körbe für Favre – und Besserung ist nicht in Sicht.

    Soweit die B.Z. – Frage: Könnte es sein, dass der Artikel in der B.Z. eine lancierte Sache gegen Favre ist? Wäre eine Möglichkeit. Ansonsten ist es vielleicht “nur” Falschinformation?

  9. Tanja*
    Erstellt am 7. Juni 2009 um 12:05 | Permanent-Link

    Für mich sind das alles Luftlöcher, denn aus dem Verein äußert sich bisher ja niemand. Spekulationen, Spekulanten, abwarten und Tee trinken und auf die kommenden Tage bzw. Wochen warten, die dann vielleicht mal Fakten und keine Spekulationen bringen. Alle schreiben irgendwas aber keiner weiß anscheinend was genaues so seh ich das ganz nüchtern.

  10. streiflicht
    Erstellt am 7. Juni 2009 um 19:44 | Permanent-Link

    Jetzt ist es offiziell: Er geht!
    “tiefe Spuren hinterlassen…”, so stehts auf Herthas Homepage – ziemlich zweideutig.

    Und mir fällt ein Stein vom Herzen. JETZT geht der Neuaufbau erst richtig los, das vorher war nur PseudoWischiWaschi. Naja okay, nicht wirklich, die Saison war wirklich gut.

    Und Danke für das Entsorgen der Schreibmaschine :-) ; den Rest machen jetzt Andere.

    Ich mach jetzt `nen Wein auf – Zum Wohle!

  11. Erstellt am 7. Juni 2009 um 22:05 | Permanent-Link

    Ich kann es noch gar nicht glauben: Dieter Hoeneß ist Vergangenheit!

  12. Tanja*
    Erstellt am 7. Juni 2009 um 22:20 | Permanent-Link

    Ich find die Art und Weise echt beschissen muss ich sagen, auch ein Hoeneß hat Achtung und einen guten Abschied verdient und ob es besser wird erst mal abwarten. Ich erinner mich halt noch daran, wie es war, bevor Hoeneß da war! Andere müssen es jetzt erstmal besser machen. Kritik üben ist leicht, aber besser machen auch??

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